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Hudson Diaz
Hudson Diaz

Preis, Wert Und Macht: Analytische Theorie Des Verh



Georg Quaas hat an der Universität Leipzig studiert. Nach einem Diplom in Physik (1974) promovierte er über das Thema der Entwicklung des physikalischen Zeitbegriffs (1979) und habilitierte sich mit einer Arbeit über die dialektische Methode von Karl Marx (1986). Parallel dazu begann er in einer Reihe von Publikationen die Arbeitswerttheorie umfassend mathematisch darzustellen. Diese Forschung wurde 2001 mit einem Buch zur "Arbeitsquantentheorie" abgeschlossen - so glaubte er jedenfalls. Doch seine Tätigkeit als empirisch arbeitender Volkswirt überzeugte ihn davon, dass die moderne Ökonomik der Werttheorie sehr viel mehr verdankt als gemeinhin angenommen wird. In dem vorliegenden Buch fasst er in verständlicher Form alle werttheoretisch relevanten Aspekte der ökonomischen Theorie von Karl Marx zusammen und zeigt Schnittstellen zur modernen Ökonomik auf. Dadurch werden nicht nur neue Einsichten gewonnen, sondern auch Probleme deutlich, die nur durch weitere Forschung gelöst werden können - nicht etwa jenseits des Mainstreams, sondern inmitten der theoretischen Grundlagen moderner Ökonomik.




Preis, Wert und Macht: analytische Theorie des Verh



Die Arbeitswertlehre von Karl Marx führt den Wert auf die gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit zurück, die erforderlich ist, um Waren unter den gesellschaftlich-normalen Produktionsbedingungen herzustellen. Doch dieser Wert muss, um den Warentausch zu ermöglichen, als Tauschwert dargestellt werden oder im Preis erscheinen. Damit kommt ein weiteres Verhältnis ins Spiel, das oftmals übersehen wird: Das Verhältnis von Angebot und Nachfrage. Nach Marx modifiziert dieses Verhältnis die Erscheinung des Wertes im Preis. Als zusammenfassender Ausdruck wird hier der Begriff des auf dem Markt geltenden Werts einer Ware geprägt und dem Konzept einer monetären Werttheorie entgegengestellt. Eine textgetreue und mit den exakten Instrumenten der Mathematik versehene Rekonstruktion der ökonomischen Theorie von Karl Marx ermöglicht es, im "Kapital" eine Theorie der Entwicklung des Geldes und darüber hinaus einen klassischen Ansatz der Preistheorie zu identifizieren. Die Darstellung grundlegender Gesetze der Werttheorie erlaubt die Ableitung von Phänomenen der Konkurrenz, die in der modernen Ökonomik, aber auch bei Marx, einfach vorausgesetzt werden. Im kapitalistischen Produktionsprozess erfährt die Werttheorie eine Konkretisierung, indem nicht nur die Wertbildung, sondern auch die Wertübertragung berücksichtigt wird. Die verbreitete Auffassung, dass Dienstleistungen keine Werte erzeugen, sondern konsumieren, wird mit zahlreichen Argumenten widerlegt. Erst durch das Einbinden der Dienstleistungen in den Prozess der Wertschöpfung kann die werttheoretische Grundlage der modernen Input-Output-Analyse (IOA) sichtbar gemacht werden. Eine Anwendung der IOA auf die Schemata der einfachen und erweiterten Reproduktion erzeugt eine Reihe von neuen Einsichten und Problemen, die ohne einen entwickelten mathematischen Apparat offenbar nicht erkennbar sind. Abschließend wird gezeigt, dass Ontologie, Entwicklungstheorie und Mathematik flexibel zusammenwirken, um die Werttheorie auf einem zeitgemäßen Niveau darzustellen.


Das zweite [neben Auf der Suche nach dem Ökonomischen - Karl Marx zum 200. Geburtstag, hg. von Rainer Lucas, Reinhard Pfriem und Claus Thomasberger] hier zu besprechende Werk, Georg Quaas' monografische Darstellung der "ökonomischen Theorievon Karl Marx", die sich um eine geschlossene mathematische Präsentation und Interpretation bemüht und daher, wie bereits bemerkt, in mancherlei Hinsicht von dem Marx-Sammelband differiert. Die von ihm vorgenommene Fokussierung auf die Arbeitswertlehre - die natürlich bei Marx eine andere Funktion hat als bei Smith und Ricardo, denn er versucht damit, die Kontinuität von Herrschaft und Ausbeutung beiGeltung marktmäßiger Äquivalenz nachzuweisen - begründet sich inhaltlich mit der zentralen Stellung, die sie im ökonomischen Werk von Marx einnimmt, methodisch mit dem Ziel des Verfassers, "eine den modernen Ansprüchen an eine ökonomische Theoriegenügende, formal logisch einwandfreie Darstellung der Marx'schenWerttheorie zur Verfügung zu stellen" (S. 12). Wichtig ist sein Hinweis darauf,dass sein Modell "nicht nur aus mathematischen Formeln besteht, sondern stets auch eine sinnvolle ökonomische Interpretation der mathematischen Objekte [...] umfasst" (S. 16). Das erlaubt "sozusagen auf höherer Ebene, eine weitergehende qualitative Interpretation[...], die dann jene Aspekte der Marx'schen Theorie freilegt, die dem über die Ökonomik hinausgehenden Wissenschaftsanspruch des ,Kapital' zuzurechnen sind" (ebd.). Er vertrittden Standpunkt, "dass die wenigen algebraischen Formeln, die Marx selber produzierte, nicht ausreichen, um die quantitativen Strukturen zu erfassen, die in seinem ökonomischen Hauptwerk tatsächlich enthalten sind" (S. 17f). Quantitative Zusammenhänge zu erkennen, führe zu ",zusätzlichen' Einsichten" und sei "eine Voraussetzungfür erfolgreiches Handeln in einem marktwirtschaftlichen Umfeld" (S. 17).Er widerspricht damit zugleich "der oberflächlichen Interpretation [...], diemathematische Modellierung des ,Kapital' thematisiere die Werttheorie in einerWeise, ,die sie ihrer Gebundenheit an eine warenproduzierende Gesellschaftentledigt'" (ebd.).


Die dem Buch zugrundeliegende Herangehensweise beruht - im Anschluss an Jindrich Zelený - auf der Hypothese, dass "die nächsthöheren Verallgemeinerungen, von denen die Marx'schen Formulierungen ein Spezialfall sind, [...] allgemeine lineare Modelle" sind. Nach der Klärung der zentralen Begriffe "Gebrauchswert", "Wert" und "Tauschwert" und der mit ihnen zusammenhängenden Termini in den Kapiteln 2 bis 4 geraten sodann der "Preis" und seine unterschiedlichen Ausprägungen bei Marx in den Fokus der Präzisierung. Quaas argumentiert, Marxens Preistheorie sei "eine Theorie der auf dem Markt anerkannten oder geltenden Werte" (S. 153), Preise seien Marktwerte der Güter. Er resümiert: "Betrachtet man die Preistheorie als einen festen Bestandteil der ökonomischen Theorie von Marx und als eine notwendige Ergänzung ihrer werttheoretischen Grundlage, so stellt sich diesedar als eine Theorie geltender Werte. Für die theoretische Interpretation des ,Kapital' kann die Einbeziehung der gesamtgesellschaftlichen Nachfrage in den Preis, der den Marktwert darstellt, gar nicht hoch genug eingeschätzt werden" (S. 155). Denn das bedeutet in seiner Perspektive nicht, dass den Preisen und damit der Analyse von Ausbeutung ihre werttheoretische Grundlage entzogen wird, sondern vielmehr dass "die Marx'sche Kapitalanalyse [...] auch dann noch Gültigkeit beanspruchen kann, wenn die Preise von den Werten abweichen [...]". Dementsprechend spielt das Problem derTransformation von Werten in Preisen, das im Sammelband vor allem von BertramSchefold diskutiert wird, bei Quaas so gut wie keine Rolle, und er entwickelt später im 8. Kapitel auch eine Modellierung des Reproduktionsprozesses, die ohne einen von denPreisen verschiedenen Wertevektor auskommt und die Analyse nur mit Größen durchführt, welche bereits in auf dem Markt geltenden Werten gemessen sind (vgl. S. 249).


Der vieldiskutierten Frage von Dienstleistungen als wertbildende Arbeit ist das ganze 7. Kapitel gewidmet, das eine klare Konklusion hat: "Wie immer sich Marx persönlich zur Frage der kategorialen Einordnung der Dienstleistungen positioniert hat - es liegt in der Konsequenz seiner Theorie, diese wegen ihrer Ähnlichkeit zur Lohnarbeit als einen Prozess zu betrachten, in dem sowohl Werte erzeugt als auch übertragen werden" (S. 208). Bei der formalen Analyse von einfacher und erweiterter Produktion wird Marx - ich meine:richtigerweise - aufgrund der feststehenden Mengenverhältnisse eine linear-limitationale Produktionsfunktion unterstellt (vgl. S. 288). Ein realistisches Modell eines nicht nur marktwirtschaftliches, sondern kapitalistisch organisierten Reproduktionsprozesseswürde, das konzediert Quaas (vgl. S. 295f), nicht nur eine Preistheorie, sondernauch eine Theorie von Unternehmerentscheidungen auf Basis der Profitabilitätder von ihnen betriebenen Prozesse erfordern, in die man entsprechende Aussagen bzw. Hypothesen von Marx zu integrieren hätte. Das aber würde zweifellos eine weit überden Rahmen dieses Buches hinausgehende Fortentwicklung der Marx'schen Theorie bedeuten.Das Buch schließt mit einer informellen (also: nicht formalisierten) Darstellungvon systemtheoretischen Elementen im Marx'schen philosophischen Denken und einem intellektuell anregenden Anhang über "Wertausdrücke in der Ilias", die ja eine vorkapitalistische Wirtschaft beschreibt. Da es Marx nicht nur darum ging, "ökonomischeund ökonomisch relevante Merkmale von Dingen und Prozessen der kapitalistischenGesellschaftsordnung zu erforschen, um sie dann adäquat darzustellen" (S. 300), sondern auch darum, in der Darstellung seines Objekts - die realen Verhältnisse in der Marktwirtschaft - auch dessen Entstehung und die daraus folgenden Konsequenzenzu erfassen, griff er methodisch auf die Dialektik Hegels zurück, "der ein ähnlichesProblem zu lösen hatte" (ebd.), allerdings an einem anderen Objekt, nämlich der "Entwicklung des menschlichen Bewusstseins in der (geschriebenen) Geschichte der Menschheit" (S. 301). Wenn also der Wert als bloße Austauschbarkeit verstanden und damitverkürzt wird, so wird die ökonomische Theorie von Marx "unbotmäßig" (S. 305) reduziert. Der Wert muss, um den Warentausch zu ermöglichen, auch noch im Tauschwert oder imPreis erscheinen (vgl. S. 310). Damit kommt das - von Marx-Interpreten und-Anhängern oft übersehene - Verhältnis von Angebot und Nachfrage ins Spiel, das schließlich zu auf dem Markt geltenden Werten oder Marktwerten führt. Hier hat allerdings die ökonomische Standardtheorie vieles zu sagen, was sich aus Marx' Betrachtungsweise nicht ableiten lässt, aber Quaas zufolge dessen zentrale Einsichten auch nicht grundsätzlich in Frage stellt.


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